Icon für Compliance - weißes Paragrafenzeichen auf orangenen Grund –
Compliance

Abmahnwelle: Schadensersatz bei Verwendung von Google Fonts wegen „individuellem Unwohlsein“

Verfasst von: Michael Kühnel
Berater für Datenschutz und Informationssicherheit

Es ist ein ständig wiederkehrendes Phänomen: Abmahnwellen, die plötzlich über das Land schwappen und Unternehmen mit massenhaften und standardisierten Anspruchsschreiben fluten.

Diesmal trifft es tausende Webseitenbetreibende, die das Schriftenverzeichnis Google Fonts eingebettet haben. Die Abmahnenden sehen darin einen Verstoß gegen die DSGVO. Doch was ist eigentlich das Problem mit Google Fonts und wieso tritt es gerade jetzt so vermehrt auf?

Was ist eigentlich Google Fonts?

Google Fonts bietet Webseitenbetreibenden eine Bibliothek mit rund 1400 Schriftarten (Fonts). Die Nutzung ist kostenlos und kann mit oder ohne lokaler Speicherung verwendet werden. Bei der Nutzung ohne eine lokale Speicherung werden beim Aufruf der Webseite durch einen Benutzer die Schriften über einen Google-Server nachgeladen. Dieser externe Aufruf bewirkt, dass Daten an Google übertragen werden (Drittlandtransfer in die USA).

Was ist das Problem?

Das LG München hat Anfang des Jahres entschieden, dass bei einer dynamischen Einbindung der Schriften unerlaubt personenbezogene Daten – nämlich IP-Adressen – an Google in den USA weitergeleitet werden; dies stelle einen unzulässigen Eingriff dar, der Ansprüche auf immateriellenSchadensersatz begründe1.

In einer ersten Besprechung des Urteils2 hieß es vorausschauend, dass es „Zündstoff beinhaltet“. Denn es bestehe die Gefahr von „Trittbrettfahrern“, die im Lichte ihres „individuellen Unwohlseins“ mit IT-Unterstützung gezielt das Internet nach deutschen Webseiten durchforsten, die Google Fonts – nach Ansicht des Gerichts unzulässigerweise – dynamisch eingebunden haben. Dann sei mit besonderem Augenmaß abzuwägen, in welchen Konstellationen die Durchsetzung datenschutzrechtlicher Ansprüche gegen Treu und Glauben verstoßen könnte. Webseitenbetreibenden, die Google Fonts nutzen, könne derweil nur empfohlen werden, die Schriften nicht dynamisch einzubinden, sondern lokal auf dem eigenen Webserver abzuspeichern.

Wie ist der aktuelle Stand?

Es ist gekommen wie prognostiziert: Sowohl Privatpersonen als auch Abmahnkanzleien gehen in großer Zahl gegen Webseitenbetreibende vor. Es sollen bereits mehrere 10.000 Abmahnungen verschickt worden sein. Gefordert werden Beträge zwischen 150 und 500 Euro, oft zuzüglich Anwaltskosten.

ABER: Die Abmahnungen werden von Fachleuten ganz überwiegend für unbegründet gehalten. Zudem liegen in vielen Fällen Indizien für einen Rechtsmissbrauch vor. Es gibt auch bereits eine einstweilige Verfügung des LG Baden-Baden gegen Google-Fonts-Abmahner3 (3 O 277/22). Natürlich ist hier jedoch auch auf die Umstände des Einzelfalls zu achten.

Inzwischen werden solche Forderungsschreiben auch in Zusammenhang mit einem Auskunftsersuchen verschickt.

Was tun bei Erhalt eines solchen Schreibens?

Dann heißt es, erst einmal die Ruhe zu bewahren und folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  1. Binden Sie Google Fonts lokal in die Webseite ein und verhindern somit, dass ein Drittstaatentransfer stattfindet. Alternativ muss der Consent-Manager für Cookies angepasst werden (Einwilligung einholen!). Prüfen Sie auch unbedingt, ob alle notwendigen Einwilligungen vorliegen – auch andere Drittanbieter, bei denen eine Übermittlung in die USA stattfindet, können Gegenstand einer solchen Abmahnung sein!   
  2. Zahlen Sie vorerst nicht; die meisten Forderungsschreiben sind rechtsmissbräuchlich, da beim gezielten Suchen von Webseiten, die eine fehlerhafte Nutzung von Google Fonts beinhalten, kein „individuelles Unwohlsein“ und damit auch kein immaterieller Schadensersatz gerechtfertigt ist.
  3. Unterzeichnen Sie nichts; geben Sie keine rechtlich bindenden Erklärungen ab.
  4. Falls ein Auskunftsersuchen mit eingereicht wurde, beantworten Sie dieses wie üblich und reagieren vorerst nicht auf den Rest der Forderung.

Bei diesem Vorgehen stehen wir Ihnen gerne zur Seite. Wir überprüfen Ihre Webseite auf Datenschutzrechtskonformität, helfen Ihnen bei der Einrichtung eines effizienten Systems für Betroffenenanfragen und halten Sie über die aktuellen Entwicklungen im Datenschutz auf dem Laufenden.

 


1 LG München I, Urteil v. 20.01.2022 – 3 O 17493/20

2 Skupin GRUR-Prax 2022, 264

3 LG Baden-Baden. Urt. v. 11.10.2022 - 3 O 277/22

Melden Sie sich für unseren Newsletter an.

Erhalten Sie immer die neuesten und wichtigsten Informationen zum Thema Datenschutz, Informationssicherheit und IT-Sicherheit und Compliance.