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Business Impact Analyse – Grundlage für digitale Souveränität und Unternehmensresilienz

Verfasst von:

Levin Rühmann
Levin Rühmann
Berater für IT-Sicherheit und Datenschutz

Die BIA macht sichtbar, wo es wehtut: Abhängigkeiten, SPOFs, RTO/MTD. So schaffen Sie belastbare Ausweichszenarien – und stärken digitale Souveränität sowie Unternehmensresilienz.

In der zunehmend digitalisierten Geschäftswelt sind Unternehmen heute stärker denn je auf digitale Technologien und Infrastrukturen angewiesen. Die Digitalisierung ermöglicht neue Geschäftsmodelle, optimiert Abläufe und schafft Wettbewerbsvorteile. Doch mit dieser Abhängigkeit wächst auch das Risiko: Digitale Ausfälle, technische Störungen oder Probleme bei Dienstleistern können im schlimmsten Fall zu erheblichen Betriebsunterbrechungen führen – mit massiven Folgen für Umsatz, Kundenbindung und Reputation.

Das Konzept der digitalen Souveränität gewinnt deshalb an Bedeutung: Es beschreibt die Fähigkeit eines Unternehmens, seine digitalen Ressourcen, Systeme und Prozesse eigenständig zu steuern, zu kontrollieren und auch in Krisensituationen handlungsfähig zu bleiben. Die Business Impact Analyse (BIA) ist ein bewährtes Instrument, um diese Herausforderungen zu meistern. Sie macht digitale Abhängigkeiten transparent, erkennt kritische Schwachstellen – sogenannte Single Points of Failure – und unterstützt dabei, wirksame Ausweichszenarien und Resilienzstrategien zu entwickeln.

Was ist eine Business Impact Analyse (BIA)?

Die Business Impact Analyse ist ein systematischer Prozess, der darauf abzielt, die Auswirkungen eines Ausfalls von Geschäftsprozessen zu bewerten. Sie hilft Unternehmen dabei, die wichtigsten Abläufe zu identifizieren und zu priorisieren, Risiken zu erkennen und die Grundlage für Maßnahmen zur Sicherstellung der Betriebsfähigkeit zu schaffen.

Im Fokus steht die Frage: Welche Konsequenzen entstehen, wenn ein bestimmter Geschäftsprozess oder eine unterstützende IT-Komponente ausfällt?

Dabei betrachtet die BIA verschiedene Dimensionen:

  • Finanzielle Auswirkungen: Wie hoch sind die möglichen direkten und indirekten Kosten bei einem Ausfall? Zum Beispiel entgangene Umsätze, Vertragsstrafen oder erhöhte Betriebskosten.
  • Rechtliche und regulatorische Folgen: Können Compliance-Verstöße oder rechtliche Sanktionen drohen, wenn Prozesse nicht funktionieren?
  • Operative Einbußen: Wie stark wird die tägliche Arbeit beeinträchtigt, und wie lange kann das Unternehmen ohne den Prozess weiterarbeiten?
  • Reputationsschäden: Welche Auswirkungen auf das Vertrauen von Kunden, Partnern und Mitarbeitern sind zu erwarten?

Die BIA liefert somit eine belastbare Einschätzung der Kritikalität von Geschäftsprozessen und schafft die Basis, um gezielt Schutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen zu planen.

Neben der Bewertung der Risiken werden in der BIA auch die Anforderungen an Wiederherstellungszeiten (Recovery Time Objectives, RTO) und die maximal tolerierbare Ausfallzeit (Maximum Tolerable Downtime, MTD) definiert. Diese Kennzahlen sind essenziell, um Prioritäten zu setzen und Ressourcen zielgerichtet zu investieren.

Warum BIA für digitale Souveränität unverzichtbar ist

Digitale Souveränität geht weit über den bloßen Einsatz digitaler Technologien hinaus. Sie erfordert das bewusste Verständnis und die Kontrolle über die eigene digitale Infrastruktur, um im Krisenfall handlungsfähig zu bleiben. Die BIA trägt dazu maßgeblich bei, denn sie ermöglicht es, genau jene digitalen Abhängigkeiten und Risiken zu erkennen, die sonst unbemerkt zu einem ernsthaften Problem werden können.

Digitale Abhängigkeiten erkennen

 

Moderne Unternehmen nutzen eine Vielzahl von digitalen Anwendungen, Cloud-Diensten und externen IT-Dienstleistern. Oft sind diese Abhängigkeiten nicht vollständig dokumentiert oder nur fragmentarisch bekannt. Die BIA hilft, diese „Black Boxes“ aufzudecken, um versteckte Risiken zu identifizieren.

Dabei stellen sich Fragen wie:

  • Von welchen Cloud-Anbietern ist das Unternehmen abhängig?
  • Welche Software ist für die Kernprozesse unverzichtbar?
  • Wie viele Dienstleister sind in kritische Abläufe eingebunden?
  • Gibt es redundante Systeme oder Backup-Lösungen?

Gerade bei der Nutzung von Cloud-Diensten ist es wichtig, nicht nur die technische Verfügbarkeit zu prüfen, sondern auch Vertragsbedingungen und mögliche Einschränkungen der Nutzung (z.B. Datenhoheit oder Exit-Strategien) zu berücksichtigen. So wird die digitale Souveränität gestärkt, indem das Unternehmen nicht vollständig von einem Anbieter abhängig ist.

Single Points of Failure erkennen und bewerten

Ein Single Point of Failure (SPOF) ist eine Komponente oder ein Dienst, dessen Ausfall zum vollständigen Stillstand eines Geschäftsprozesses führt. Das kann ein einzelner Cloud-Anbieter sein, eine zentrale IT-Infrastruktur oder sogar eine Schlüsselperson.

Die BIA deckt solche Schwachstellen auf und ermöglicht, deren Risiken systematisch zu bewerten. Nur so kann das Unternehmen gezielt in Redundanzen und Ausweichlösungen investieren.

Das Identifizieren von SPOFs ist ein kritischer Schritt, um die Resilienz zu erhöhen. Denn in komplexen IT-Umgebungen ist es oft schwierig, alle Abhängigkeiten zu durchdringen. Eine fundierte BIA hilft, Risiken gezielt zu reduzieren und Handlungsfelder für Investitionen abzuleiten.

Ausweichszenarien entwickeln und Resilienz aufbauen

Die reine Risikoerkennung reicht nicht aus. Die BIA bildet die Basis, um Ausweichszenarien zu entwerfen, beispielsweise durch:

  • Redundante Systeme und Datenhaltung
  • Hybridlösungen, die Cloud und lokale Infrastruktur kombinieren
  • Temporäre manuelle Prozesse, wenn digitale Systeme nicht verfügbar sind

Solche Maßnahmen erhöhen die Resilienz und helfen, die Geschäftsfähigkeit auch im Krisenfall zu sichern.

Das Ziel ist, nicht nur auf den Ausfall vorbereitet zu sein, sondern auch die digitale Souveränität zu stärken: Die Fähigkeit, bei Störungen handlungsfähig zu bleiben, unabhängig von einzelnen Anbietern oder Technologien.

Praxisbeispiel aus dem Gesundheitssektor

Um die Relevanz der BIA und ihrer Erkenntnisse zu verdeutlichen, betrachten wir ein konkretes Beispiel aus der Gesundheitsbranche.

Ausgangslage

Ein Unternehmen verwaltet die Patientenakten digital über eine zentrale Cloud-basierte Plattform. Ärzte und Pflegekräfte greifen täglich auf diese Daten zu, um Diagnosen zu stellen, Therapien zu planen und Behandlungen durchzuführen.

Risiko

Ein Ausfall der Cloud-Plattform bedeutet, dass keine Patienteninformationen mehr abgerufen werden können. Dies gefährdet unmittelbar die Versorgungssicherheit und kann rechtliche Konsequenzen haben.

Single Point of Failure

Die gesamte Datenhaltung ist auf einen Cloud-Anbieter konzentriert. Es gibt keine lokalen Kopien oder redundante Systeme, die bei Ausfall einspringen könnten.

Erkenntnisse der BIA

  • Die maximale tolerierbare Ausfallzeit beträgt wenige Stunden, da die Patientenversorgung nicht länger unterbrochen werden kann.
  • Rechtliche Vorgaben und Haftungsrisiken erfordern eine kontinuierliche Verfügbarkeit.
  • Ein Ausfall hätte auch negative Auswirkungen auf die Reputation des Unternehmens.

Ausweichszenarien

  • Redundante Speicherung: Regelmäßige Backups der Daten auf eigenen Servern oder bei einem weiteren Anbieter, um im Notfall schnell umschalten zu können.
  • Hybridbetrieb: Kombination aus Cloud und lokaler Infrastruktur, sodass ein Zugriff auch bei Cloud-Ausfällen möglich ist.
  • Manuelle Notfallprozesse: Vorbereitete, papierbasierte Verfahren, um zumindest eine eingeschränkte Versorgung zu gewährleisten.

Ablauf einer BIA in sechs Schritten

Obwohl die BIA individuell auf jedes Unternehmen zugeschnitten sein sollte, lässt sich der Prozess in sechs zentrale Schritte unterteilen:

1. Erfassung der Geschäftsprozesse

Zunächst werden alle wesentlichen Geschäftsprozesse identifiziert und dokumentiert. Dabei werden auch unterstützende IT-Systeme und digitale Anwendungen erfasst. Die genaue Erfassung stellt sicher, dass keine kritischen Abläufe übersehen werden. Oft werden hierfür Interviews und Workshops mit Fachabteilungen durchgeführt.

2. Bewertung der Kritikalität

Anhand von festgelegten Kriterien wird die Bedeutung der einzelnen Prozesse beurteilt. Dies erfolgt typischerweise durch Workshops mit Fachabteilungen und der Geschäftsleitung. Finanzielle Folgen, rechtliche Anforderungen und operative Auswirkungen fließen in die Bewertung ein.

3. Analyse digitaler Abhängigkeiten

Für die priorisierten Prozesse werden die eingesetzten IT-Systeme, Cloud-Dienste, Dienstleister und Schnittstellen detailliert betrachtet. Ziel ist, digitale Abhängigkeiten zu identifizieren und zu dokumentieren.

4. Identifikation von Single Points of Failure

Innerhalb der digitalen Abhängigkeiten werden potenzielle SPOFs ermittelt. Es wird bewertet, wie kritisch deren Ausfall ist und wie schnell eine Wiederherstellung möglich wäre.

5. Entwicklung von Maßnahmen

Basierend auf den Ergebnissen werden konkrete Maßnahmen empfohlen, die Ausweichszenarien, Redundanzen oder organisatorische Änderungen umfassen können. Ziel ist, die Resilienz zu erhöhen und die digitale Souveränität zu stärken.

6. Dokumentation und Kommunikation

Die Ergebnisse und Maßnahmen werden übersichtlich dokumentiert und in der Organisation kommuniziert. So entsteht eine gemeinsame Basis für weitere Entscheidungen und die Notfallplanung.

Fazit: Resilienz systematisch stärken

Die Business Impact Analyse ist ein unverzichtbares Instrument, um die digitale Souveränität eines Unternehmens zu stärken. Sie hilft dabei, kritische Geschäftsprozesse zu identifizieren, digitale Abhängigkeiten und Single Points of Failure aufzudecken und Ausweichszenarien zu entwickeln, die im Krisenfall den Fortbestand sichern.

In einer zunehmend digitalisierten und vernetzten Welt ist es essenziell, Risiken frühzeitig zu erkennen und gezielt zu steuern. Die BIA schafft eine belastbare Grundlage für Investitionen in Resilienz, IT-Sicherheit und souveräne digitale Infrastruktur.

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