In einer zunehmend digitalisierten Wirtschaftswelt ist digitale Souveränität weit mehr als ein Schlagwort – sie entwickelt sich zunehmend zu einem strategischen Aspekt unternehmerischer Verantwortung. Unternehmen müssen heute sicherstellen, dass ihre Daten, Systeme und Prozesse nicht nur technisch sicher, sondern auch geopolitisch resilient sind. Angesichts der dominanten Marktstellung von Cloud-Anbietern wie Microsoft, Google oder Amazon und einer zunehmend unsicheren globalen Lage ist es wichtig, sich mit den realen Risiken dieser Abhängigkeit auseinanderzusetzen, insbesondere, wenn es um zentrale Geschäftsprozesse, wichtige IT-Systeme und die Verarbeitung sensibler Daten geht.
Politische Unsicherheiten als reales IT-Risiko
Die Entwicklungen der letzten Jahre und insbesondere seit dem Beginn der aktuellen Präsidentschaft von Donald Trump zeigen, dass geopolitische Entscheidungen direkte und tiefgreifende Auswirkungen auf Unternehmen weltweit haben können. Seit seiner erneuten Amtsübernahme als Präsident der Vereinigten Staaten ist klar: Politische Auseinandersetzungen mit Europa oder anderen Staaten bergen ernstzunehmende Risiken, etwa, dass im Extremfall der Zugriff auf US-Ressourcen eingeschränkt oder sogar vollständig gekappt werden könnte, sei es aus wirtschaftlichen Erwägungen, als politisches Druckmittel oder durch Sanktionen.
Was lange Zeit eher abstrakt wirkte, gewinnt zunehmend an praktischer Relevanz: Mit der Auslagerung geschäftskritischer Prozesse auf Plattformen wie Microsoft 365, Google Cloud oder AWS steigt auch die Abhängigkeit von deren Verfügbarkeit. So stellt sich die Frage, was passiert, wenn einer dieser Dienste – sei es durch eine Störung, einen Sicherheitsvorfall oder regulatorische Einschränkungen – plötzlich nicht mehr erreichbar ist? Wie schnell ließe sich in einem solchen Fall reagieren? Welche Daten wären betroffen? Gäbe es belastbare Notfallpläne und Alternativlösungen? Solche Szenarien sind mittlerweile mehr als Planspiele – sie sollten heutzutage Teil einer vorausschauende Digitalstrategie sein.
Abhängigkeit erkennen – Handlungsfähigkeit sichern
Die Abhängigkeit von US-Anbietern ist oft tief in der Unternehmensstruktur verankert: Kollaborationslösungen, E-Mail-Infrastruktur, Cloud-Speicher, CRM-Systeme oder branchenspezifische Anwendungen sind häufig vollständig in den Ökosystemen der großen Hyperscaler eingebettet. Ein Ausfall, sei es durch technische Fehler oder politische Entscheidungen – hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Betriebsfähigkeit.
Hier setzt eine fundierte Business Impact Analyse (BIA) an: Sie hilft dabei, die kritischen Systeme im Unternehmen zu identifizieren, deren Ausfall besonders gravierende Folgen hätte. Dazu zählen nicht nur technische Risiken, sondern auch strategische Schwachstellen – etwa dann, wenn zentrale Prozesse auf Cloud-Diensten basieren und somit stark von einzelnen, nicht-europäischen Anbietern abhängig sind. Die BIA ist damit ein wichtiger erster Schritt, um diesen Risiken gezielt zu begegnen und geeignete Maßnahmen für mehr digitale Souveränität zu entwickeln. Unternehmen können beispielsweise:
- alternative Anbieter prüfen und gezielt für kritische Bereiche integrieren,
- Exit-Strategien für bestehende Plattformen entwickeln,
- ihre IT-Infrastruktur so gestalten, dass im Notfall eine Migration möglich ist,
- bewusst hybride oder redundante Systemlandschaften schaffen,
- und die langfristige Einbindung souveräner Lösungen in die Unternehmensstrategie verfolgen.
Souveränität braucht Alternativen
Es geht dabei nicht darum, von jetzt auf gleich vollständig auf europäische Lösungen umzusteigen. Vielmehr sollten Unternehmen die bestehenden Risiken in ihre strategische Planung einbeziehen und diese bei der Weiterentwicklung ihrer IT- und Unternehmensarchitektur berücksichtigen. Die gezielte Integration von Alternativen kann ein langfristiger Prozess sein, der bewusst vorbereitet und umgesetzt wird.
Digitale Souveränität bedeutet, handlungsfähig zu bleiben, auch im Fall geopolitischer Eskalationen. Wer dieses Ziel ernst nimmt, muss sich mindestens mit alternativen Szenarien auseinandersetzen. Dazu gehört:
- die schrittweise Ablösung von US-Plattformen bei besonders kritischen Anwendungen,
- die Migration zu europäischen Anbietern und DSGVO-konformen Lösungen,
- sowie der Aufbau eigener, selbst kontrollierter IT-Infrastrukturen, etwa in Form von Private-Clouds oder On-Premises-Lösungen.
Diese Schritte mögen kurzfristig mit Aufwand und Investitionen verbunden sein – langfristig schützen sie jedoch vor Kontrollverlust und dem Risiko existenzbedrohender Abhängigkeiten.
Exit-Strategien und digitale Resilienz
Eine bewusste Exit-Strategie schafft Handlungsspielraum. Unternehmen sollten heute definieren, wie sie im Ernstfall den Umstieg auf alternative Systeme vollziehen können – und diese Optionen nicht nur auf dem Papier, sondern auch praktisch vorbereiten. Gerade bei kritischen Anwendungen empfiehlt sich eine Parallelstruktur oder zumindest eine technische Migrationsfähigkeit.
Auch regulatorisch gewinnt das Thema an Relevanz: In sicherheitskritischen Sektoren oder bei Betreibern kritischer Infrastrukturen wird digitale Souveränität zunehmend zur Anforderung, nicht nur zur Empfehlung.
Stabilität erfordert Unabhängigkeit
Digitale Souveränität ist kein bloßes technisches Randthema, sie ist ein entscheidender Faktor für die strategische Resilienz von Unternehmen. In einer zunehmend vernetzten und politisch geprägten Welt, in der staatliche Entscheidungen unmittelbaren Einfluss auf digitale Infrastrukturen haben können, ist es riskant, kritische Daten und Systeme vollständig externen Akteuren zu überlassen.
Unternehmen sind gut beraten, ihre IT-Strukturen jetzt kritisch zu prüfen, bestehende Abhängigkeiten offen zu legen und gezielt Schutzmaßnahmen umzusetzen. Nur so lässt sich gewährleisten, dass sie auch künftig handlungsfähig, sicher und wettbewerbsfähig bleiben – unabhängig von globalen Entwicklungen.